Dezember, 2023
Lost in Fuseta
eine Krimiserie, die an der portugiesischen Algarve spielt
Ich lache selten. Vielleicht zu selten. Bei dieser Krimiserie passiert es mir öfters.
Die Hauptfigur der Serie ist Leander Lost, ein autistischer, deutscher Kriminalkommissar aus Hamburg, der im Zuge eines europäischen Austauschprogramms für ein Jahr nach Portugal kommt, in eine Kleinstadt an der Algarve. Dort fällt er schon wegen seiner – klischeebildhaft - deutschen Art (Gründlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Ordnungsliebe, …) auf, in stärkerem Gegensatz zu dem dort üblichen portugiesischen bzw. südländischen Laissez-faire-Stil. Und noch viel mehr durch seine vom Üblichen abweichenden Lebensbewältigungsstrategien, in der Fachsprache als „Asperger-Syndrom“ beschrieben.
Die fast vollständige Unfähigkeit des Kommissars, eigene wie auch fremde Gefühle wahrzunehmen und damit „sozial normal“ umzugehen, hat im Laufe seines Lebens dazu geführt, dass er sich bei bestimmten Fähigkeiten dramatisch vom Durchschnittsmenschen unterscheidet. Unter anderem beim Erinnerungsvermögen, fotographischem Gedächtnis, analytischem Denken und dem Wahrnehmen von Mikroexpressionen bei anderen. Letzteres sind winzige Regungen, die in den ersten Sekundenbruchteilen nach einem Ereignis, einer Aussage, als nicht beeinflussbare Reaktion im Gesicht eines Menschen auftauchen, und unverfälscht die momentane Wahrheit dieses Menschen zeigen.
Gil Ribeiro ist das Pseudonym eines in Hamburg aufgewachsenen deutschen Drehbuch- und Romanautors. Die ersten beiden Bücher der Serie wurden bereits verfilmt und vor einiger Zeit bei ARD ausgestrahlt.
Der Autor bringt zum Teil sehr trockenen Humor zu Papier. Köstlich erheiternd wirken immer wieder die Versuche von Leander Lost, mit Hilfe seiner speziellen Fähigkeiten in der Kommunikation mit anderen „normal“ zu wirken. Erschwerend für ihn ist öfters, absolut nicht lügen zu können. Die Hauptfigur ist Teil eines Teams von Portugiesen von ausgeprägten Charakteren, und einem eitlen Spanier. Auch diese Figuren werden recht liebevoll skizziert, der Spanier zum Teil etwas grotesk. Abgesehen von diesem Spanier beschreibt der Autor Situationskomik, ohne sich über eine seiner Figuren lustig zu machen.
Den kriminalistischen Handlungsstrang finde ich nicht besser oder schlechter als bei vielen anderen Autoren. Das letzte Buch („Einsame Entscheidung“) ist etwas „atemlos“ geschrieben, man kann es kaum mehr weglegen. An einem Tag habe ich die letzten 300 Seiten gelesen. Die „Lost inFuseta“ Serie ist, wie sehr viele andere Krimis, auch ein „Lokal-Krimi“. Lokales wie Landschaft, Kulturdenkmäler und Essen wird sehr gelobt, kulturelle Eigenheiten als liebenswert dargestellt. Einfache, grundlegende Alltagswörter in Dialogen werden öfters in der Landessprache geschrieben. Mancher Leser, der diese kennt, fühlt sich dadurch vermutlich als „Wissender“.
In den Büchern der Serie wird das Dabeisein beim tödlichen Autounfall der Mutter und schlimme Jahre danach in einem Waisenhaus als Mitursache für die Verhaltensweisen des deutschen Kommissars suggeriert. Ich vermute, dass dies nicht so falsch ist.
Helmut S.