Dezember, 2023
Ian Rankin
ein schottischer Krimiautor
(Bis jetzt habe ich die ersten acht Bände der Rebus-Serie gelesen, die von 1987 bis 1997 geschrieben wurden.)
Zum Lachen bringen mich diese Krimis manchmal. Nach dem Lesen der ersten paar Bände der Reihe mit Kommissar John Rebus aus Edinburgh war das Lustigste oft die Situationskomik zwischen ihm und einem jüngeren, sehr ehrgeizigen Kollegen.
Der erste Band wurde Mitte der Achtzigerjahre geschrieben. Für mich auffällig ist das äußere Sich-Unterwerfen innerhalb der Hierarchen, auch von Kommissar Rebus. Auch wenn dann hinter dem Rücken von höhergestellten Personen etwas Anderes gemacht wird.
Im letzten Jahr war das Vereinigte Königreich in verschiedener Hinsicht im politischen Fokus. Dadurch war dieses Land für mich sichtbarer als sonst. Nicht nur bezüglich offensichtlicher Tatsachen, sondern auch in Bezug auf Psychologisches, Soziales, Kulturelles. Vieles mutet einem Österreicher altmodisch an. Auf der anderen Seite wirkt diese Kultur auf mich mit ihren schon lange offen und rational ausgetragenen Debatten über Werte und andere politischen und rechtlichen Elemente ziemlich reif.
Vor der Rebus-Serie hatte ich fast alle Bücher der irischen Autorin Tana French gelesen. In ihren Krimis findet man an vielen Stellen die Auflehnung gegen die Engländer, manchmal versteckt, manchmal offen. In den schottischen Krimis spürt man dagegen Abgrenzung, Ressentiments, aber keine grundsätzliche Ablehnung des Englischen.
Wenn man die Romane der beiden Schriftsteller vergleicht, dann fühlen sich die Iren den Engländern unterlegen, die Schotten ebenbürtig. Im dritten Band der Rebus-Serie („Wolfsmale“) wird der Kommissar nach London beordert, um dort bei der Aufklärung einer Mordserie zu unterstützen. Ein wichtiger Teil des Erzählstrangs ist wieder der des sich Unterwerfens und Akzeptierens der Spielregeln der Londoner Polizei. Und – dann das Ignorieren derselben von Rebus.
Bei French erscheint das Konsumieren der „Alltagsdrogen“ Kaffee, Alkohol und Zigaretten ganz natürlich in der Erzählung. Bei Rankin, bei dem noch das englische Teetrinken hinzukommt, habe ich den Eindruck, dass er hier eigenes Verlangen hineinschreibt. Kulturell wirkt es im Jahre 2022 fast unglaublich, wie viel und oft damals in geschlossenen Räumen geraucht wurde.
Von der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit liegt Rankin für mich klar hinter Tana French. Sein erstes Buch ist ungefähr 200 Seiten lang, dann steigert er sich nach und nach auf ungefähr 600 Seiten bis zum achten Buch der Rebus-Serie; im Vergleich zu den 650 von French. Ein recht passend angewandtes Stilmittel bei ihm ist das Wiederholen von Sätzen bzw. Satzteilen.
Die ersten vier Bücher hatte ich in einer Taschenbuchqualität gelesen, der man ihr Alter ansah. Und dieses nicht-sterile Äußere passte für mich sehr gut zum Schreibstil des Autors. Ab dem fünften Buch („Verschlüsselte Wahrheit“) hatte ich dann drei gebundene Bücher, die neuer und unbenutzter aussahen. Ich war wegen ihrem Äußeren richtig enttäuscht!
Gleichzeitig werden die Romane ab hier reißerischer. Einerseits in Bezug auf den Erzählstrang des Verbrechens selbst, was die Spannung die meiste Zeit hochhält. Auf die Dauer wirkt dies etwas gewollt, statt in einem natürlicheren Fluss. Auch wird die Beschreibung der gleichen (fiktiven) sozialen „Problem-Viertel“ drastischer und spektakulärer, genauso das (amouröse) Privatleben des Kommissars. Ein bisschen schlimm, doch ich konnte mich nach und nach daran gewöhnen.
Beim achten Buch („Das Souvenir des Mörders“) gibt es nochmals eine Steigerung in Bezug auf das „Reißerische“. Ich habe nach ein paar Seiten ernsthaft überlegt, das Buch wegzulegen. Ähnlich wie ein bekannter schwedischer Bestseller-Autor in seinen neueren Büchern, versucht Rankin in fast jedem Handlungsblock, der meist nur wenige Seiten umfasst, so viel Anregung und Aufregung hineinzupacken, wie es früher für viele Seiten gereicht hat. „Gereicht“ in einem für mich positiven Sinn. Rankin ist für mich in der Art seines Erzählens nicht große Klasse, doch hatte er in seinen ersten Büchern einen charakteristischen, feinen Stil. Ab dem fünften Buch wird sein Schreibstil greller, im achten Buch dann öfters ins Groteske übertrieben, grelle Scheinwerfer vor allem auf soziale Hässlichkeit gerichtet.
Erst nach dem Lesen dieses Buches las ich ein Interview mit Ian Rankin. Dort meinte er, dass der achte Band sein Erfolgsdurchbruch war. Er war zur Zeit des Schreibens an diesem Buch aus privaten Gründen (krankes Kind) recht verzweifelt und hatte in seinem Schreibzimmer die Möglichkeit, eine Welt zu gestalten, in der er bestimmte. Mir erscheint dieses „Bestimmen“ und seine Art von Wirklichkeitsauffassung bzw. Wirklichkeitskonstruktion eher kindisch. Für mich eine Erleichterung nach diesem Buch war der neueste Roman von Cay Rademacher in seiner Serie über den Kommissar Roger Blanc. Hier gestaltet ein erwachsener Mann seine Welt.
Über die Romane hinweg sah ich einen Kommissar, der sich in äußerer Anpassung seine Welt und seine Art der Ermittlung eher heimlich selbst gestaltete, seine nicht unbeträchtlichen beruflichen sowie privaten Belastungen nur mit Hilfe größerer Mengen von Alltagsdrogen schafft.
Helmut S.